Hillary Clinton – nicht das geringere Übel

In Anbetracht der anstehenden US-Wahl zwischen den beiden unbeliebtesten Kandidaten der Geschichte, heißt es, dass man nun nichts mehr tun könne und nun das kleinere Übel, the lesser evil, wählen müsse, dass da Hillary Clinton wäre. Für nur oberflächlich Informierte erscheint das logisch. Donald Trump, den rüpelhaften Flegel, der diskriminiert, pöbelt und beleidigt was das Zeug hält, müsse man verhindern. Er sei ein Wahnsinniger, den man zu stoppen hätte. Seine Medienpräsenz, sein make america great again, seine Haare – alles vermittelt dem nicht ganz Dummen bis nicht ganz Rechten, dass dieser Mann nicht ins Weiße Haus einziehen dürfe. Und das stimmt natürlich auch. Trump ist ein Antipolitiker, der offen rassistische und sexistische Haltungen vertritt, von der American Nazi Party und so manch anderen Gruselvereinigungen des amerikanischen braunen Sumpfs unterstützt wird. Allein das spricht Bände. Seine Ideen sind so verrückt und – ganz simpel ausgedrückt – dämlich, dass er einem – wie South Park richtig erkannt hat – mit jedem Satz entgegenschmettert, dass er nicht dazu geeignet ist, Präsident zu sein und auch die Hosen ziemlich voll haben dürfte, diese Position zu bekleiden. Doch er ist nicht das größere Übel.

Hillary Clinton ist es. Das mag hart klingen, ja nahezu unvorstellbar. Doch weicht man von dem Narrativ des regressiv-liberalen Establishments ab, so erkennt man eigentlich recht schnell, dass dies der Fall ist. Beginnt man einmal, sich über sie zu informieren, schreit dieser Umstand einem mitten ins Gesicht. Beginnen wir einmal mit dem offensichtlichsten Umstand: Ihr Fordern einer Flugverbotszone über Syrien. Eine Flugverbotszone (im englischen: No-Fly-Zone) über dem Bürgerkriegsland klingt recht harmlos, doch hätte verheerende Konsequenzen. Gen. Joseph Dunford, der Vorsitzende des Vereinigten Generalstabs der USA, erklärte erst kürzlich, dass eine wie von Clinton, unter dem Vorwand des Schutzes der syrischen Bevölkerung, vorgeschlagene Flugverbotszone die USA in einen Krieg mit Russland und Syrien stürzen würde („Right now, Senator, for us to controll all the air space in Syria, would require us to go to war against Russia and Syria.“). Doch das ist nicht alles. Clinton kündigte an, dass unter ihrer Regierung die USA auf Cyberattacken genau gleich reagieren würde, wie auf jede andere Form von Attacken. Das alles bedeutet, dass unter einer Präsidentin Hillary Clinton wir froh sein können, wenn es nur(!) zu einer Verschärfung der Konflikte zwischen den USA, und damit auch der NATO, und anderen Atommächten kommt. Denn im schlimmsten Fall führt diese Person den dritten Weltkrieg herbei und das ist etwas, das ich nicht erleben möchte. Trump hingegen würde die Beziehung zu Russland entschärfen.

Doch warum will Hillary Clinton denn überhaupt einen Krieg mit einem Land provozieren, das zudem noch das einzige Land ist, das mehr nukleare Sprengköpfe als die USA besitzt (wobei ich mir ziemlich sicher bin, dass nur ein geringer Anteil beider dazu ausreicht, die Welt in Schutt und Asche zu legen)? Der Schutz syrischer Zivilbevölkerung kann es nämlich nicht sein; in einer Rede vor Goldman Sachs gab sie zu, dass eine No-Fly-Zone vielen Syrern das Leben kosten würde. Es liegt daran, dass sie Geld, und zwar viel Geld, von der Rüstungsindustrie bekommt. Besonders der Rüstungskonzern Lockheed Martin hat sich dabei hervorgetan, Clintons Kampagne zu unterstützen. Das heißt also, dass Clinton Profit über Leben stellt und alleine aus diesem Grund ist sie für einen Progressiven wie mich unwählbar. Ich könnte noch viele, viele andere Gründe nennen – wie ihre Wankelmütigkeit zu politischen Themen (Stichwort: Homo-Ehe) oder ihr Wahlbetrug in den Primarys Bernie Sanders, der mit Sicherheit der beste Kandidat und ein ganz hervorragender, möglicherweise die Welt verändernder Präsident gewesen wäre, gegenüber – doch ich belasse es bei diesem simplen. Ich habe Angst davor, was Clinton dieser Welt als Präsidentin antun würde.

Doch nur weil ich der festen Überzeugung bin, dass Clinton noch schlimmer als Donald Trump wäre, hieße das nicht, dass ich tatsächlich Trump wählen würde. Meine Stimme ginge an Jill Stein. Jill wer? Jill Stein. Die Kandidatin der Green Party und eine third-party-alternative. Wie Gary Johnson von der Libertarian Party oder Darrell Castle von der Constitution Party (ein furchtbar rechter Spinner) ist auch sie eine von den Medien weitgehend unbeachtete und nicht berücksichtigte Kandidatin im Rennen um das Weiße Haus. Gary Johnson, übrigens, ist ebenfalls eine bessere Alternative zu Trump und Clinton, wenngleich auch er teils sehr bescheuerte Ansichten vertritt.

Jill Stein und ihr running mate Ajamu Barkara sind nämlich eine echte Alternative links der Mitte. Eine Alternative, die die USA dringend(!) brauchen. Zum einen führen sie aus der antidemokratischen Zwei-Parteien-Misere, zum anderen sieht man, dass dieses Land sich in völliger Stagnation befindet. Das würde bei uns auch passieren, wären ÖVP und FPÖ bzw CDU und AfD, die einzigen beiden großen Parteien und Erika Steinbach würde so tun als wäre sie eine Liberale. Jedenfalls beinhaltet Jill Steins politischer Ideenkatalog viele der Punkte, die auch auf Bernie Sanders‘ Agenda standen. Ihre Politik ist eine, die für Progressive und Liberale die einzig funktionierende und wählbare ist. Würde Jill Stein Präsidentin werden, könnten sich in den USA Zustände entwickeln, wie sie bei uns längst der Fall sind. Sie würde Whistleblower entkriminalisieren (Snowden will sie in ihr Kabinett holen!), sie steht entschlossen gegen umweltschädliche Methoden zur Energiegewinnung und fordert einen Green New Deal, der neue Arbeitsplätze im Bereich der erneuerbaren Energien schaffen würde. Die Einführung eines menschenwürdigen Mindestlohns sowie der kostenlose Zugang zu Universitäten und die Abschaffung von Studentenkrediten stehen ebenso weit oben auf ihrem Programm. Etwas, das längst überfällig ist, sind die Bildungszustände in den USA doch verheerend. Ein weiterer Pluspunkt: Sie will das Kiffen legalisieren (ebenso wie Gary Johnson), etwas gegen das sich Clinton beinhart wehrt – kein Wunder: sie ist ja auch mit dem privaten Gefängnissektor verbandelt.

2016 wird Jill Stein nicht mehr Präsidentin, wählen sollte man sie aber trotzdem. Alleine deshalb, um der Green Party 5% an Wählerstimmen und damit für die nächste Wahl 8 bis 10 Millionen Dollar an staatlichen Fördergeldern zu beschaffen. Die Green Party würde in jedem Staat auf dem Wahlzettel stehen und somit die undemokratischen Hürden des Systems überspringen. Jede Stimme für Jill Stein ist eine für einen Schritt in die richtige Richtung. Man zeigt den Demokraten, dass man sie nicht damit durchkommen lässt, dass sie immer weiter nach Rechts wandern. Man hilft eine Stimme für eine sozialere Innenpolitik und friedenstifftende Außenpolitik zu etablieren.

Auch wenn sie nicht gewinnen wird – bei Wahlen geht es ja ohnehin um mehr, als auf das richtige Pferd zu setzen – würde ich Jill Stein wählen. Denn so funktioniert Demokratie.